Eigentlich sollte auf der Brachfläche neben der Distillery an der Kurt-Eisner-Straße längst das neue Wohnquartier Bayerischer Bahnhof entstehen. Doch jetzt erhält der älteste Techno-Club Ostdeutschlands einen völlig unerwarteten Nachbarn: einen Aldi-Markt.
Aldi Nord errichtet gerade direkt neben der Distillery einen Einkaufsmarkt. Die Filiale soll bereits am 14. Mai eröffnen. Es handelt sich – dies zur allgemeinen Beruhigung – aber lediglich um ein provisorisches Verkaufszelt. Aldi modernisiert den nahe gelegenen Markt in der Arthur-Hoffmann-Straße. Kunden des Discounters sollen deshalb vorübergehend in dem Zelt versorgt werden. Vergangene Woche stand das Zelt bereits. Arbeiter verteilten und planierten auf der Fläche daneben Schutt. Offenbar sollen noch eine Auffahrt und Parkplätze entstehen.

Die Filiale in der Arthur-Hoffmann-Straße schließt nach Auskunft der Pressestelle von Aldi Nord bereits am 12. Mai. Es werde dort „leichte bauliche Veränderungen geben“. Ziel sei eine „helle und freundliche Einkaufsatmosphäre mit mehr Platz und breiteren Gängen sowie einem vergrößerten Angebot“. Außerdem stattet Aldi den Markt nach eigenen Angaben mit einem „modernen Licht- und Energiekonzept“ aus. Im Herbst soll die Modernisierung abgeschlossen sein. Dann verschwindet auch das Zelt wieder.
Stillstand beim Bau des „Stadtraums Bayerischer Bahnhof“
Die Errichtung des Aldi-Markts wirft ein Schlaglicht auf den Stillstand, der ansonsten auf dem Areal herrscht. Auf der Brachfläche sollte bereits 2017 mit dem Bau eines neuen Wohnquartiers begonnen werden, dem sogenannten „Stadtraum Bayerischer Bahnhof“. Die Stadt plant dort unter anderem den Bau von 3.000 Wohnungen, einer Kita und einer weiterführenden Schule mit Turnhalle. Es wäre das größte ostdeutsche Neubaugebiet, wie es auf der Website der Stadt heißt.
Die Pläne für das Projekt sind seit 2011 fertig. Momentan kommt das Vorhaben aber nicht von der Stelle. Denn die Stadt konnte sich mit dem Eigentümer der Grundstücke, der Leipziger Stadtbau AG, nicht auf einem Kaufpreis einigen. Ein Mediationsverfahren verlief im Sande.

Grüne fordern radikales Vorgehen der Stadt
Zuletzt forderten die Leipziger Grünen im Stadtrat per Antrag sogar den Einsatz des Paragraphen 165ff des Baugesetzbuches. Dieser Paragraph würde es der Stadt ermöglichen, den Eigentümer zum Verkauf der Grundstücke zum Verkehrswert zu zwingen. Dies käme praktisch einer Enteignung gleich. Darum gibt es auch hohe rechtliche Hürden für den Einsatz dieses juristischen Mittels. So muss das betreffende Bauvorhaben von hoher Bedeutung für das „Wohl der Allgemeinheit“ sein und eine besondere Bedeutung für die Entwicklung der Kommune haben. Außerdem müsste Leipzig nachweisen, nicht über die Finanzmittel zu verfügen, um die Grundstücke regulär zu erwerben.
Die Grünen sehen all dies als gegeben an: „Vor dem Hintergrund des dringenden Bedarfs der beiden Kitas und der Schule sowie aufgrund der Wohnraumknappheit und Absicherung der geplanten Grünfläche hält es unsere Fraktion für dringend geboten, umgehend eine städtebauliche Entwicklung für das gesamte Plangebiet gemäß §§ 165 ff BauGB einzuleiten“, wird der Grünen-Politiker Tim Elschner in einer Pressemitteilung der Partei zitiert.
Umzug der Distillery wohl unausweichlich
Der Bau des „Stadtraum Bayerischer Bahnhof“ bedeutet übrigens mit hoher Wahrscheinlichkeit das Aus der Distillery am jetzigen Standort. Davon zeugt schon die Straßeneinfahrt mit Ampelanlage direkt vor dem Club. Direkt über das Grundstück der „Tille“ werden wohl in Zukunft die neuen Bewohner des Wohnquartiers nach Hause fahren. Der Geschäftsführer der Distillery, Steffen Kache, sagte dem Stadtmagazin Kreuzer im Dezember auf Nachfrage dazu: „Da werden definitiv Wohnhäuser gebaut und es gibt keinen Puffer. Was sollen wir da machen, eine riesige Schallschutzmauer um den ganzen Laden bauen? Ich gehe davon aus, dass wir eine neue Location suchen müssen.“
Sind die Grünen dumm? Auf der Brachfläche gibt es massenhaft seltene Tiere und Pflanzen. Insbesondere seltene Schmetterlinge wären durch den Bau stark gefährdet und somit im Leipziger Süden ausgestorben.